Dies ist unser letzter Blog von der ARC 2022.
Um 10.17Uhr UTC genau im Sonnenaufgang erschallt der Ruf „Land in Sicht“. Kaum erkennbar erscheinen die Berge St. Lucia`s im Dunst des Morgens in Lee, St. Lucia. Freunde und zugleich Wehmut umschließt die Szenerie. Noch 37sm to go
Jetzt um 17:25:30 UTC sind wir im Ziel! Nach 21 Tagen, 4h, 25 Minuten und 30 Sekunden sind wir im Ziel St. Lucia Rodney Bay angekommen.
21 Tage auf auf See, 2767sm Entfernung, 3016sm gesegelte Strecke.
Die Tage und Seemeilen sind dann doch „wie im Flug“ vergangen, auch wenn nur der Rückflug nur ein paar Stunden dauern wird. Tage voller Erlebnisse und eine Lebenserfahrung, die wir sicherlich erst viel später richtig verarbeiten werden. Ein Gefühl, welches sich erst später in uns entfalten und wahrscheinlich für immer in uns nachklingen wird. Andere Menschen sind wir sicherlich nicht geworden, aber reicher im tieferen Sinne.
Wir sind über den Atlantik gefahren! Yes, we did it!
5Eine Strecke, die uns am Anfang unendlich weit erschien und dann doch so schnell verging.
Vor der Reise hatten wir genug zu tun mit bunkern und basteln, dann ablegen (selbst Thomas war aufgeregt, hat`s aber gut vorborgen) und zack, schon war Start. Natürlich bei Null auf der Linie, von wegen defensiv starten. Dann ging alles bang, bang, bang… Dass Wind sein würde, war klar, aber dass wir uns in einen Sturm mit mehr als 45kn Wind in der ersten Nacht wiederfinden, wir die Welle mit mehr als 13kn herunter surfen würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Erste Reparaturen im Windschatten von Grand Canaria und weiter auf nach Süden immer 240Grad! Ordentlich Wind und Etmale über 170sm, Mann ging das ab! Der taktische Plan war gut aber das Wetter hat sich dann doch anders entwickelt. Nach und nach hatte sich im Norden ein fettes Tief gebildet, was zunächst zu einer gewissen Anspannung geführt hat. („Das Tief hat das Potential, sich zu einem Hurrikan der Stufe 1 zu entwickeln“) Es wirkte sich für uns allerdings lediglich zunächst mit Westwind und dann mit F
laute aus. Als fast alle schon motorten haben wir immer noch gesegelt. Ok, Christian und Michel haben es geschafft in einer 4h Wache auch mal 1,6sm rückwärtszufahren, aber am Ende haben auch wir den „Jockel“ angeschmissen. Keine Aussicht auf Wind, 265sm zum Ziel und den Planter`s Punch kann man schon fast riechen! Irgendwann verschieben sich auch unsere Prioritäten.
Schnell haben wir uns in die Wachroutine und Abläufe eingewöhnt. Segeln, Wache, schlafen, essen, Wache, Tagesbesprechung mit „Das Wetter“, „Die Grip-Files“ „Regattataktik & Routing“ „Lokales“ (ARC-News), „und nun zum Sport“ (Christians Tora-Rolle mit Positionen und Kursen), essen, schlafen, segeln, segeln, segeln… und auf andere Boote achten und sogar Ausweichmanöver fahren, von wegen man ist ganz allein auf dem „Teich“! Ganz egal wie gut wir segeln konnten, wieviel Erfahrung wir hatten, an Bord der Adrienne bei Tanja und Thomas haben wir alle viel gelernt. Die beiden sind ein tolles Team, perfekt aufeinander eingespielt, tausende Seemeilen Erfahrung und trotzdem (oder gerade deshalb?) sehr liebevoll miteinander. Sie kennen ihre „Adrienne“ perfekt, alle Manöver sind routiniert und zeichnen sich dadurch aus, dass Sicherheit und Schonung des Materials immer höchste Priorität haben. Sie haben uns alle eingebunden und nach jeweiligen Fähigkeit
en eingesetzt und jeden gefordert. Jeder war für jeden da und wir sind zu einem echten Team geworden!
Auch wenn wir alle deutsch sprechen, unsere Mundarten sind doch ziemlich unterschiedlich.
Harald hat sich mit Sächsisch-Thüringisch eher zurückgehalten, Plattdütsch von Jens und ein büschen von Krischan können de anern nun ok verstan, einen Grundkurs in Schwäbisch haben wir alle bestanden und „gschwind“ gehört ab sofort zu unserem gemeinsamen Sprachschatz.
Wiener Dialekt: Da musst Du schon richtig zuhören! Bist Du begriffen hast, „wann“ Thomas Dich bierernst „verkackeiert“! Es dauert halt a bissel, aber jetzt passt scho!
Trinken: ja man soll 2Liter am Tag trinken, Gott sei Dank darf man Kaffee jetzt mitzählen.
Dass alkoholfreies Bier zum In-Getränk und zu einem raren Gut wird, damit hatten wir nicht gerechnet. Auch Cola wird schnell zu einer Spezialität, ansonsten lecker Wasser (Sprudel nur auf besonderen Wunsch).
Essen: Joo, an Bord der „Adrienne“ wird gekocht, gebacken, Knödel gemacht, Aufläufe gezaubert, Salate kreiert. Internationale und österreichische Küche, jeden Tag, manchmal fangfrischen Fisch, Sashimi frisch vom vor wenigen Minuten noch putzmunteren Mahi-Mahi. Die Beiden können nicht nur segeln, die können auch kochen! 3 Gasflaschen haben wir verbraucht. Was Tanja und Thomas auf einem freischwingenden 2-flammigen Herd mit Backofen zaubern und damit 6 verfressene Männer auf höchstem Niveau abfüllen, hat schon „See-Sterne“ Qualität. Natürlich gabs auch Nüsse, Kekse und Schokolade, selbstgebackenes Brot und die Reste vom Vortag, aber die wurden fast ausschließlich von Paule und Michel (selten auch von Harald) verputzt.
Adventszeit auf dem Atlantik! Da mussten wir wie die Kinder zu Hause bis 11.00 Uhr auf „Kammer“ bleiben! Überraschung! Dann steht der leckere Adventsbruch mit Adventskerze und einem Leinen-Adventskranz auf dem Tisch. Auch Nikolaus wird gefeiert und heute gab es Sahnetorte mit Wiener Kaffee.
Was sonst? Auf dem Meer muss man sich zu helfen wissen: Wenn der neue Windgerator selber losfliegen will, wieder einfangen, später Mast legen, Kabel ziehen und wieder aufrichten. Wenn die Genua baden geht, neue Gutbänder annähen. Wenn der watermaker die Bilge flutet Hochdruckschläuche reparieren; Wenn der Mastrutscher klemmt, neue Bolzen schneiden!
Strommanagement: Wassergenerator, Windgenerator, Solar, Motor, Generator; ja wenn Du willst auch 220V.
Langeweile? Nee, war ja ständig was zu tun und wenn mal etwas Zeit war, musste man Astronavigation machen! Sonne schießen, GHA, DEC und LHA ausrechnen. Jeden Mittwoch und Samstag duschen, 2x Kino und wenn fast mal Pause war, dann musste man die Füße hochnehmen, weil Christian mal wieder „Eins durchwischen“ wollte.
Der Atlantik, das Meer ist scheinbar unendlich, jeden Tag anders, nie ruhig und doch so beruhigend! Wie die Sterne und der Mond. Die Nacht auf dem Meer ist großartig, die letzten lauen Nächte haben wir in uns aufgesogen.
Das alles ist nun vorbei. Thomas und Tanja bekommen Weihnachtsgäste, Jens geht mit Frau und Tochter tauchen, Michel und Harald bleiben auch noch auf Martinique, Paule und Christian fliegen nach Hause. Alle werden Ihre Fotos austauschen und vielleicht in Kontakt bleiben und ein Erlebnis in sich tragen, dass für immer bleibt!
Danke Tanja & Thomas, Danke „Adrienne“!
Jetzt kommen die Piton`s am Horizont, dann Planter`s Punsch und Bier und morgen Kopfschmerzen…
Harald, Michel, Paule, Jens und Christian
P.S.: Schade das Robert nicht dabei sein konnte.
Vielen Dank das wir durch Eure Berichte ein bisschen von dem Törn miterleben durften.
Es war ein großes Vergnügen.
Nun genießt die Tage dort und dann freuen wir uns aufs Wiedersehen.
Gibt’s kein Blog 2023?